
Die Ergotherapie ist eine medizinische ganzheitliche Therapieform, die (arbeits-)medizinische, sozialwissenschaftliche und handlungsorientierte Grundlagen umfasst. Dabei werden die Betätigungsbereiche Selbstversorgung, Freizeit und Produktivität unterschieden, und zwar bei Menschen vom Kindes- bis ins hohe Alter an.
Ergotherapie wird bei Störungen der Motorik und Sensomotorik, insbesondere im Rahmen neurologischer und orthopädischer Erkrankungen eingesetzt. Ziel ist die Stärkung der Person in seinen alltäglichen Bereichen durch spezifische Aktivitäten, Anpassung seiner Umwelt und Beratung, um somit die Handlungsfähigkeit im Alltag, weitgehend die Selbstversorgung, gesellschaftliche Teilhabe und eine Verbesserung seiner Lebensqualität zu ermöglichen. Die eingesetzten Mittel in den Übungen können einerseits Therapiemittel sein, andererseits Hilfsmittel oder auch handwerklich-gestalterische Medien. Die Ergotherapie wird ganzheitlich eingesetzt und somit auch in der Orthopädie und Rheumatologie sowie nach Unfällen.
- Grundsätzlich gliedert sich der Therapieprozess in drei Schritte:
- Evaluation (Befunderhebung und Ziel-Definition)
- Intervention (Planung der Behandlung deren Durchführung)
- Outcome (Bewertung der Therapieergebnisse)
- Generell lassen sich folgende Ziele der Ergotherapie nennen:
- individuelle Zielen, Wünsche und Möglichkeiten des Patienten
- Förderung / Verbesserung der Bewegungskoordination sowie Sinnes- und Emotionswahrnehmung
- Entwicklung von körperlichen und geistigen Voraussetzungen für eine Erreichung selbstständiger und erfüllter Lebensführung (körperlich und geistig)
- Verbesserung der Lebensqualität durch Stabilisierung und Erweiterung vorhandener Fähigkeiten
- Reintegration in das persönliche, soziale und berufliche (wenn vorhanden) Umfeld
- größtmögliche Selbstständigkeit im Alltag, sowohl im privaten, als auch beruflichen Umfeld
- Nach der Situationsbewertung des Patienten und der Vereinbarung der Therapieziele, wird vom Ergotherapeuten für die Intervention eine geeignete Therapiemethode gewählt.
Dafür stehen folgende Ansätze zur Verfügung: - kompetenzzentriert alltagsrelevant - Erarbeitung verloren gegangener Fertigkeiten des Alltags sowie handwerkliche Fähigkeiten, zudem Training der Gedächtnisleistung.
- subjektbezogen ausdruckszentriert - gestalterischer Ausdruck innerer Gefühle und Empfindungen, meist durch Malen oder Basttelarbeit.
- interaktionelle Methoden - sozialer Austausch und Rollenfindung, hauptsächlich in Partner- und Gruppenarbeit. Hierbei wird ein gemeinsames Projekt, Rollenspiel oder eine Aufgabe gestellt, wodurch Kommunikation, Verhalten und Konfliktlösungen beobarchtet und später durch Reflektion verarbeitet werden.
- wahrnehmungsbezogen handlungsorientiert - Erkennen der Sinnes- und Körperwahrnehmung durch Übungen wie Handmassage, Tasten und Erkennen, Empfindungserlebnisse mittels Vibration, Wärme-Kälte, etc. Der Patient nimmt Sinneserlebnisse auf und ordnet diese 'richtig' ein. Oft eingesetzt bei psychiatrischen Patienten oder Kindern mit Entwicklungsstörungen.
Ergotherapie in der Neurologie
- Erkrankungen des Nervensystems schränken häufig erheblich in der Handlungsfähigkeit ein. Eine Ergotherapie kann bei folgenden neurologischen Erkrankungen helfen (Beispiele):
- Schlaganfall
- Schädel-Hirn-Trauma sowie Zerebralparese (Bewegungs- und Haltungsstörungen nach einem Hirnschaden)
- Morbus Parkinson
- Multiple Sklerose
- Lähmungserscheinungen sowie Polyneuropathie (Nervenschädigungen)
- Den Erkrankungen entgegengewirkt, wird z.B. mit einer sensorischen Integrationstherapie (SI).
Ergotherapie in der Orthopädie, Traumatologie und Rheumatologie
- Behandelt werden Personen mit Störungen des Bewegungsapparates, z.B. bei oder nach traumatischen und degenerativen Störungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule, desweiteren bei und mit:
- Knochenbrüchen oder Operationen
- Sehnendurchtrennungen
- Amputationen
- Karpaltunnelsyndrom
- Epicondylitis oder Tendovaginitis de Quervain
- muskuloskelettalen Erkrankungen
- Querschnittlähmungen und Dysmelien
- Die Ziele liegen hier in der Verbesserung der Beweglichkeit und des Kraft- und Belastungsaufbaus sowie dem Erreichen größtmöglicher Selbständigkeit im beruflichen, schulischen und häuslichen Alltag. Ebenso die Erweiterung des gesamten Bewegungsausmaßes aller Gelenke, die Herstellung und Erprobung von Adaptationen, Hilfsmitteln und Schienen (wie z.B. Lagerungsschienen, Quengelschienen oder Kleinertschienen), zudem das Einüben schmerzarmer und kompensatorischer Bewegungsabläufe, sowie das Umtrainieren der Gebrauchshand.
- Inhalte der Ergotherapie in diesem Bereich sind darüber hinaus die Stumpfabhärtung und Prothesentraining sowie motorisch-funktionelle Übungen.
Ergotherapie in der Psychiatrie
Die Behandlung ist für Personen aller Altersstufen, die im Besonderen unter Suchterkrankungen, psychotischem Erleben, neurotischen oder psychosomatischen Störungen leiden, um ihre eigenen kreativen Potenziale (wieder-)zuentdecken und durch die Erkrankung verloren gegangene Fähigkeiten wiederzuerlangen. Krankheitsbilder sind psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter, Angststörungen, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Depressionen, Schizophrenien, Essstörungen, affektive Störungen, dementielle Syndrome, Störungen bei Alkohol-, Drogen- und Medikamentensucht oder das hirnorganische Psychosyndrom.
- Die grundsätzlichen Ziele der Ergotherapie in der Psychiatrie und spezifischer psychisch-funktioneller Behandlungen sind die Entwicklung, Verbesserung und der Erhalt von:
- psychischen Grundleistungsfunktionen wie Antrieb, Motivation, Belastbarkeit, Ausdauer, Flexibilität und Selbstständigkeit
- Körperwahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung
- situationsgerechtem Verhalten sowie sozioemotionalen Kompetenzen und Interaktionsfähigkeit
- Realitätsbezogenheit von Selbst- und Fremdwahrnehmung
- psychischer Stabilität und Selbstvertrauen
- eigenständiger Lebensführung und Grundarbeitsfähigkeit
Ergotherapie bei Kindern (Pädiatrie)
- Bei Kindern ist eine frühe Entwicklungsförderung immer sinnvoll. Gerde Eltern sollten ihr(e) Kind(er) bei einer altersgerechten Entwicklung unterstützen. Folgende Krankheitsbilder im Kindesalter machen jedoch eine Ergotherapie notwendig:
- Entwicklungsstörungen oder -verzögerungen (z.B. nach Frühgeburten)
- Wahrnehmungsstörungen (Informationen werden vom Gehirn anders verwertet / bewertet)
- Störungen der sensomotorischen Entwicklung und der damit verbundenen Beeinträchtigung kognitiver Prozesse
- körperliche Behinderung
- graphomotorische Störungen (Schwierigkeiten beim Schreiben)
- Seh- oder Hörstörungen
- geistige Behinderung
- ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssstörung)
- Autismus
- Ergotherapeutische Behandlungsverfahren beruhen auf neurologisch-anatomischen, anatomisch-funktionellen, psychosozialen, entwicklungspsychologisch und lerntheoretisch orientierten Grundsätzen und Kenntnissen. Die sensomotorisch-perzeptive Behandlung wird beispielsweise zur Therapie von Störungen der Wahrnehmung und Sensomotorik sowie deren Folgeschäden eingesetzt. Sie hilft hier jungen, aber auch erwachsenen Menschen mit Autismus, ADS/ADHS sowie Entwicklungs- und Verhaltensstörungen, ihren Alltag besser und entspannter zu meistern. Die Behandlung wird, je nach Störungsbild, dem Entwicklungsstand und sozialem Umfeld, zugrunde liegenden Konzepten und Ansätzen, wie beispielsweise dem Bobath-Konzept, der Sensorischen Integrationstherapie (SI) von Anna Jean Ayres, der Schluck- und Mundmotorik von Castillo-Morales oder Methoden von Félicie Affolter, Marianne Frostig oder Maria Montessori durchgeführt.
Behandlungsziele sind unter anderem: - Verbesserung der Bewegungsabläufe, der Tonusregulation und der Koordination
- Verbesserung der Sinneswahrnehmung und der Wahrnehmungsverarbeitung
- Verbesserung der Konzentration und kognitiver Leistungen
- Stärkung der Motivation und Neugierde
- Integration in Familie und Umwelt (inkl. Kompensation bleibender Defizite)
- größtmögliche Selbständigkeit im Alltag, in der Schule und im weiteren Umfeld
Ergotherapie in der Altersmedizin (Geriatrie)
Der Altersprozess, Krankheiten und Gedächtnisprobleme (z.B. Demenz) schränken die Selbstständigkeit immer mehr ein. Reduzierte soziale Kontakte und Interaktionen, persönliche Verluste sowie oftmals fehlende Aufgaben schränken die Lebensqualität ebenfalls ein. Ergotherapeutische Maßnahmen sollen hier unterstützen und zur Gewöhnung und Anpassung an sich verändernde Lebensumstände führen und ATL-Training (Aktivitäten des täglichen Lebens) sorgt mit wiederkehrenden Tätigkeiten zur Erfüllung der physischen und menschlichen Grundbedürfnisse. Insbesondere werden aktiv Hirnleistungstraining und Neuropsychologische Behandlungen angewandt.
- Ergotherapeutisch behandelt werden hier zudem ältere Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen aus den Fachgebieten Neurologie, Innere Medizin, Orthopädie, Chirurgie und Psychiatrie, die aufgrund von Störungsbildern und Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität) in Senioren- und Pflegeheimen leben.
Ziele sind in diesem Bereich: - Erhalt und Aufbau eines positiven Selbstbildes
- Förderung und Stabilisierung von vorhandenen und/oder verloren gegangenen geistigen, sozialen und körperlichen Fähigkeiten
- Vermeidung oder Verminderung von Abhängigkeit und Isolation (wenig soziale Kontakte)
- Erweiterung und Erhaltung des Bewegungsausmaßes aller Gelenke
- Förderung und Stabilisierung von Gedächtnisleistungen, Aufmerksamkeit, Konzentration sowie Orientierung
- Sturzprävention oder Sturzprophylaxe (Gesamtheit vorbeugender Maßnahmen)